Buchbesprechung Marianne Mathys ‹Dem Alltag lauschend›, Gedichte und Geschichten
novum Verlag, 104 S., ISBN 978-3-99038-729-0


Ihre Freude am Schreiben lässt die Wörter glänzen 
von August Guido Holstein

Ein roter Band von rund hundert Seiten, und das Lesen ist wie ein Gehen durch das Buch. Zu Beginn die Gedichte über das Wasser, im See, im Fluss. Die Autorin Marianne Mathys eine Beobachtende, die es hinterher liebt, das Geschehene in Worte zu fassen, aber nicht in solche von Alltagsbuntmetall, vielleicht von Silber. So schreibt sie: ‹... in Scharen / winziger Springbrunnen / glitzernd an mir vorbei›. Dazu die spürbare Freude an der Natur und am Schreiben. Sich sättigen ‹... am hell leuchtenden Grün des Ufergebüschs / das sich dem Fluss zuneigt›. Darauf Erinnerungsprosa, ebenfalls von Lyrischem durchsetzt: Das kleine Mädchen auf einem Foto von Dazumal mit seinen ersten Schwimmversuchen, worauf wieder rein Lyrisches folgt, ganz melodisch ‹Weiden wehen sanft im Wind›, doch mit einem gewissen Erzählcharakter oft.

Der folgende Übersichtstitel Stimmungen fügt sich stimmend ins beschworene Fliessen des Wassers ein. Doch Themenwechsel mit dem Gedichtstitel Dreiecksbeziehung, eine ‹Beziehung mit ungleichen Seiten›.

In Prosa Briefstellen und Nachrichten von der Welt, über Computer, das Schreiben. Texte publizieren – um vielleicht nicht andauernd daran zu ändern? Über die Mutter ‹Eine Zwiebel aus der mein Ich / hervorspriessen sollte, losgelöst ...›. Ein literarischer Lebensfleckenteppich mit Sprüngen. Jetzt das Küken in der Eierschale als das Ich im Traum. Berührend die Bilder der alten Mutter, dass ihr mit dem Efeu die Fenster zuwachsen, und in Gedanken ‹nachtfaltert sie›. Worterforschung:
‹Webfaseriges Gebilde / wirrspinntige Hülle ...›, ‹Fadengespann›, ‹Herzkammergeflüster›. Ihre Themen: Fluss, Frau, Kind, Traum. Natur, Dinge, zum Beispiel der Bleistift, Farbstift und Empfindungsliteratur.

Durch Jahr und Tag ein weiteres Kapitel, mit Weltvorkommnissen aus dem wenig poetischen Gelände, dann ganz kurz im Jahreslauf ‹Dem goldenen Licht zulächeln / mit den Nebelschwaden entschweben / niemals landen müssen›. Dann die Schneeflocken, ‹als kämen sie am Boden nie an›.

Im Kapitel Merk-Würdiges überrascht uns die Autorin mit den kurzen Zeilen: ‹Unsere grauen Zellen / hinterlassen Farbigkeit / welcher Couleur ist / eine Frage des Geistes›. Am Schluss Galerie der Bilder, mit heute so beliebten lyrischen Bildbeschreibungen, etwa den Engeln von Paul Klee und besonders bemerkenswert, ein Höhepunkt, der Prosatext über die spiralförmige Treppe und das Werk Antoni Gaudis in Barcelona.

Marianne Mathys, geb. 1952 in Bern, verbrachte dort ihre Kindheit und Jugend, und Lehrzeit als Buchhändlerin; sie lebt seit dreissig Jahren mit ihrer Familie im Kanton Nidwalden, wo sie schreibt und malt, und fotografiert, ganz ihren äusseren und inneren Bildern zugetan.