Erfindung

Das Gegenteil von Kopie oder Realität. Hat ungerechtfertigterweise einen schlechten Leumund. Was ausserhalb des naturwissenschaftlich-technischen Reichs erfunden wird, gilt gemeinhin als Betrug oder Lüge. Dies muss sowohl sprachgeschichtlich als auch poetologisch vehement bestritten werden. Erfindung ist ‹auf etwas stossen, treten› oder eben ‹kommen› und trägt noch im Mittelhochdeutschen auch die Bedeutung des Erkennens (‹gewahr werden›) mit. Die Dichter selbst hüten sich geflissentlich, von ihrer Erfindungsgabe zu reden. Sie verweisen lieber auf die Wahrscheinlichkeit ihrer Aussagen oder eine prophetische Rede. Nimmt man die Dichtung aber beim Wort, als ein Notieren des Gesprochenen, einer lautlichen Äusserung also, muss deutlich werden, dass der Laut (wie im Reim) diese Äusserung dominieren kann. Dies ist im Falle der Dichtung nur allzu häufig der Fall. Es ist jedoch strikt davon abzuraten, diese scheinbare (lies: lügnerische) und spielerische Spiegelung zu belächeln. Nur zu oft haben Menschenaffen oder Kinder im Spiel neue Erkenntnisse gewonnen, sind sozusagen ‹auf sie getreten›. Um wie viel mehr gilt dies von dem Dichter, dessen Spielzeug (und Material) die Sprache ist!

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