PRO LYRICA FORUM VOR ORT im Klettgau

Eine Dichterin und vier Dichter sowie ein Hoffotograf trafen sich am Samstag, 19. September 2020 im Heim des PRO LYRICA-Mitgliedes Thomas Haker in Bühl im deutschen Klettgau. Von zehn bis zwölf war angesagt sich zu finden und sich kennen lernen in der Gruppe. An diesem Austausch nahm als Gast Silke teil, eine Nachbarin aus dem Dorfe. Die fünf Schreibenden berichteten von ihren aktuellen Vorhaben und lasen aktuelle Gedichte, die zum Teil noch ‹im Schreibprozess› sind, vor.

Nach dem Mittagessen tauschten sich Nora Dubach, August Guido Holstein, Cornel Köppel, Thomas Haker und Peter Rudolf über das angekündigte Thema aus. Thomas und Cornel hatten ‹Was verbindet und was unterscheidet Bildende Kunst und Lyrik?› für das Treffen im Rahmen des PRO LYRICA-Forums ‹Offener Kreis› gewählt. – Zur Einstimmung hatten sie auf zwei Texte hingewiesen: Einmal auf ‹If I Told Him, A Completed Portriat of Picasso› von Gertrude Stein, auch in Hörform, um sich dem englischen Text annähern zu können; und auf den längeren, fast prosa-lyrisch zu nennenden Text von Friederike Mayröcker zum Bild ‹trinkende Malerei› von Andreas Gunert.

Für die malende Kunst wurde, angeregt durch den Bezug zu Picasso und dessen Kubismus, der Verzicht auf die Räumlichkeit in der Darstellung diskutiert. Die Frage tauchte auf, wie weit diese Entwicklung in der modernen Lyrik nachvollziehbar sein kann. Auf die Frage, wo denn dieses Merkmal allenfalls schon anzutreffen sei, gelangte die Gruppe zur hermetischen Poesie.
Beim anschliessenden Rundgang durch das Dorf an einem der letzten Sommertage dieses Jahres wurden die Köpfe gelüftet. Zurück im Haus von Thomas und seiner Familie, widmete sich jeder einem der beiden Bilder, entweder jenem schon Genannten von Andreas Grunert oder der Fotoaufnahme einer Ausstellungs-Installation in Blau von James Turell. Zum Schluss dieses Offenen Kreises las jeder seinen zu einem dieser beiden Bilder soeben entstandenen Text vor.

Peter Rudolf

Nachfolgend stellen die Autor*innen diesen Text zum Lesen zur Verfügung.

 


1
Ausblick

Mein Blick ins blaue
Rund gerichtet
der Himmel so nah
weisse Wolken
schweben vorbei
meine Gedanken
ziehen mit
der Ausblick
ein Lichtblick
gebündeltes Weiss
erhellt meinen Raum

Nora Dubach

 


2
Kopferhoben, wartend
im tiefblauen Rundhorizont des Wartsaales
dieser Halle versammelter Schatten.
Sprachlos sind sie.

Aber doch immerhin, im Gesicht
ein Lichtschimmer von der Nähe.
in der Wartehaltung, Erwartungshaltung
auf ein Geschehen.

Weit, ganz oben, im Rund der Öffnung
zur Azur-Freiheit des Himmels
sich eine weisse Wolke hat verschoben,
die den Himmelsraum geöffnet hat.

Unten nur der Abglanz des flimmernden Schimmers,
ein grosser, weisser Sonnenfleck.
Statisch, aber vielleicht erfüllt sich die Hoffnung,
wenn das Licht von oben erlischt.

August Guido Holstein

 


3
Himmelblaues Kleid, himmelblauer Himmel

Die Ränder sind scharf. Ich, fern hier
im Auge, im Fisch, im Schwarz, lass mich

umfahren, lass mich erscheinen.

Thomas Haker

 


4
brechanklage

es blubbert und brabbelt
ändert die gestalt
schluss jetzt
mit allem und überall
tun wir es doch

den organischrammen gleich
auch sie nur abschein
fluid körper und raum
alles vergeht was sehbar

ob vor oder nach
nimmersein ist nun angesagt
und schiesst schwarz
ins aufgebrochene bücken

und wer bohrt schon
löcher ins verhimmeln
schaut nur wie das licht bricht
an allem und überall

Cornel Köppel

 


5
schaffender Dichter Stille
getaktet
vom Klicken des Fotoapparates

Peter Rudolf
Anmerkung: P.R. ist ein Dichter, der regelmässig an der gestellten Aufgabe vorbeischreibt – fast ebenso regelmässig mit Gedichten

 


alle Fotos © 2020 Rolf Zöllig 

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